Einfamilienhäuser vor dem Aus?

Guten Tag!
In der vergangenen Woche hat ein Interview mit Bundesbauministerin Klara Geywitz in der „taz“ für Aufsehen gesorgt. Die Frage, die Geywitz aufwirft, ist dabei nicht neu, sondern sorgt in regelmäßigen Abständen für erhitzte Gemüter. Sie lautet: Können wir uns den Neubau von Einfamilienhäusern (EFH) ökonomisch und ökologisch noch leisten? Die Antwort liefert sie gleich mit: Eigentlich nein – und uneigentlich auch nicht. (Das komplette Interview zum Nachlesen finden Sie hier.)
Wir wollen die Diskussion um die Einfamilienhäuser im heutigen Landbrief einmal nachzeichnen und ihre Brisanz verstehen: Warum ist der Traum vom Eigenheim gerade jetzt für viele ganz subjektiv so wichtig? Und welche Argumente stehen dem ganz objektiv gegenüber?
Und wir wollen versuchen, einen Weg zu zeichnen, der subjektive Ansprüche und objektive Notwendigkeiten vielleicht vereinen könnte.
Landbrief wird Abo
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Die subjektive Sicht: Sehnsuchtsort Land
Das eigene Haus ist für viele junge Familien noch immer ein Lebenstraum – der gerade in der Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen hat. Und das ist durchaus verständlich: Denn da, wo durch Quarantäne, Ausgangssperren oder das Dichtmachen von Kultur-, Freizeit- und Gastroeinrichtungen der gesellschaftliche Bewegungsradius kleiner und beengter wurde, da gewann der individuelle Bewegungsradius – das eigene Haus, der eigene Garten – an Bedeutung. Und sei es auch nur in Form eines Gedankenspiels. Wie sagt schon der Volksmund? Man(n) soll in seinem Leben ein Kind zeugen, einen Baum pflanzen und ein Haus bauen.
Bezahlbare Bauplätze – oder überhaupt: Bauplätze – sind in Städten Mangelware. Auf dem Land stehen die Chancen für einen Bauplatz besser und die Baulandpreise sind niedriger, zumindest etwas. (Dass das Wohnen auf dem Land auch alles andere als günstig ist, hat mein Kollege Gisbert Strotdrees Ihnen vor einigen Wochen in einem Landbrief geschrieben).
In den vergangenen beiden Corona-Jahren ist eine regelrechte neue Lust aufs Landleben entstanden. Begleitet wurde diese von einer gewissen Sehnsucht nach Berechenbarkeit: Ein bisschen Unabhängigkeit von leeren Supermarktregalen durch den eigenen Gemüsegarten, ein wenig Energieautonomie durch die PV-Anlage auf dem Dach. Elementarer Bestandteil dieses Traums: das Eigenheim.
Die objektive Sicht: Aus der (EFH-)Traum?
In dieses schöne Gedankenkonstrukt platzt nun Bauministerin Klara Geywitz mit ihrem Hang zur Realität. Sie sagt in der „taz“:
„Es ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, wenn jede Generation neue Einfamilienhäuser baut und anfangs auf 150 Quadratmetern zu fünft lebt, aber dann ziehen die Kinder aus und das Haus schrumpft in dem Moment nicht. Seit den 1950er-Jahren wurden hier Hunderttausende Einfamilienhäuser gebaut. In denen leben meist keine Familien mehr, sondern ein oder zwei Senioren.“
In den letzten Jahren, so Geywitz, sei die Wohnfläche pro Person immer weiter gestiegen. Eine Studie des Immobiliendatendienstleisters empirica regio bestätigt das: Nach dieser hat die Wohnfläche pro Kopf im Zeitraum von 2015 bis 2020 mit 3,7 Prozent am stärksten in ländlichen Regionen zugelegt. Dort liegt sie im Schnitt bei 51,4 Quadratmetern. In kleineren Städten und Vororten hat jede:r Einwohner:in durchschnittlich 47 Quadratmeter Platz, in Großstädten 40,9 Quadratmeter – ein Plus von 1,5 Prozent (nachzulesen zum Beispiel bei der „ZEIT“).
Mit zunehmender Wohnfläche wachsen zudem Energiebedarf und Emissionen. Ministerin Geywitz fordert daher im „taz“-Interview eine Debatte über gutes Wohnen. Es werde zwar viel darüber gesprochen, wie das eigene Ess- oder Mobilitätsverhalten das Klima beeinflusse. Beim Wohnen finde die Debatte aber nicht statt.
Umbaurecht vor Baurecht
Diese geforderte Debatte hat zwei Seiten. Es geht dabei einerseits um das Wohnen in der Stadt. In städtischen Raumen sind über die Hälfte der Haushalte Singlehaushalte, Tendenz steigend. Bei neuen städtischen Wohnkonzepten wird – auch unter dem Eindruck von Corona – verstärkt über kleinere individuelle Wohnräume, dafür aber größere gemeinschaftlich genutzte Fläche nachgedacht.
Aber lassen Sie uns einen Blick auf das Land werfen. Denn dort entfaltet die Debatte um Einfamilienhäuser ihre Brisanz. Geywitz sagt: „Wir brauchen einen anderen Nutzungszyklus. Gut wäre, wenn die nächste Generation von jungen Familien alte Häuser erwirbt und saniert.“
Eine Position, die auch die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker vertritt. Aus Kostengründen werde in Deutschland häufiger abgerissen oder direkt neu gebaut, als Bestandsgebäude umzubauen und zu sanieren. „Wir haben ein Baurecht, aber kein Umbaurecht“, sagt sie.
Das „Aus“ für das Einfamilienhaus meint das nicht. Wohl aber: Eine ehrlich zu führende Debatte darüber, ob der Neubau von Einfamilienhäusern heute tatsächlich noch eine gute Idee ist.
Denn ist es nicht auch so: In der überwiegenden Zeitspanne zwischen Bau und Abriss der EFH leben in diesen eben keine Familien, sondern Singles oder Paare. „Leben in der Bude“ ist dann oft nur zu Feiertagen, wenn die Kinder und/oder Enkelkinder zu Besuch kommen. Geywitz schlägt vor, mittels staatlicher Anreize zweierlei zu vereinen: Fläche sparen und den Wunsch vom eigenen Haus ermöglichen.
Jung kauft alt
Wie das in der Praxis aussehen kann, wird vielerorts mit Förderprogrammen nach dem „Jung-kauft-alt-Modell“ schon konkret erprobt. Zum Beispiel in der Gemeinde Hiddenhausen im Kreis Herford: Dort erhalten Familien, die einen Altbau in der Dorfmitte kaufen, Zuschüsse für die Sanierung von bis zu 9.000 Euro. Zusätzlich gibt es einen Bonus für jedes Kind (mehr Infos hier).
Ein ähnliches Modell gibt es seit 2015 auch in Menden im Sauerland. Auch dort werden junge Familien beim Altbaukauf unterstützt: Wenn sie eine mindestens 25 Jahre alte Immobilie erwerben, erhalten sie maximal 9.000 Euro Zuschuss, verteilt über sechs Jahre. Schon vor dem Kauf gibt es überdies 1.500 Euro, damit die jungen Käufer:innen ein Altbaugutachten erstellen lassen können – „um vor teuren Überraschungen geschützt zu sein“, wie es von Seiten der Stadt Menden heißt.
Wie wird bei Ihnen gewohnt?
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ZUGABE
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Herzliche Grüße
Marit Schröder